Zwischen Bergen und Bodensee machen sich das bayerische Westallgäu und das Baden-Württembergische Allgäu breit. Uneitel, bodenständig, überraschend. Mit der Westallgäuer Käsestraße, auf der du von Käsekeller zu Käsekeller radeln kannst. Mit einem Kräuterdorf, in dem der Wirt Unkrautstrudel serviert. Mit einer echten Stadtschönheit wie Wangen, einem Gelehrtenstübchen in Isny, mit Retro-Autos, einer Kirche für Jakobspilger, Industriekultur und einem Skywalk mit Weitblick in Scheidegg. Meine Top 10 erfüllen nicht die Baedeker-Kriterien von Sterne-Sehenswürdigkeiten, sind ganz und gar subjektiv, aber allesamt echte Lieblingsplätze im Westallgäu.
11 Lieblingsplätze im Westallgäu
Inhaltsverzeichnis
#Wangen – Mittelalter trifft Moderne
»In Wangen bleibst du hangen«, warnen die Wangener. Kein schon sein, dass du länger hängen bleibst als gedacht. Die einstige Freie Reichsstadt ist nämlich ausgesprochen hübsch – umgeben von Mauern, Toren und Türmen, mit mittelalterlichen und barocken Fassaden. Eine tolle Kulisse fürs muntere Stadtleben im Westallgäu.
Im frühen 13. Jahrhundert schon erhielt Wangen das Stadtrecht. Schmiede und Leinweber erarbeiteten zusammen mit heimischen Kaufleuten, die deren Produkte bis nach Spanien lieferten, den Wohlstand der Stadt. So entstand ein Schmuckkästchen auf zwei Etagen – die Oberstadt und die Unterstadt, wo die nicht ganz so feinen Leute lebten.
Im Zentrum der Oberstadt liegt das Rathaus, das sein Gesicht mit den Baumoden veränderte. Schräg gegenüber das Hinderofenhaus – ein altes Gemäuer mit trendigem Café, in dem du den Tag bei Flammkuchen und Vino ausklingen lassen kannst.
Rund um den Marktplatz von Wangen
Vom Marktplatz biegt die Paradiesstraße ab, in der ein Haus mit Barockfresko ins Auge springt: Es erzählt die Geschichte von Jonas und dem Walfisch in drastischen Bildern. Das Café Walfisch ist eine Wangener Institution. Wie das Fidelisbäck nebenan mit berühmtem Leberkäs und superknusprigen Seelen, der schwäbischen Variante des Baguette. In der dortigen Backstube – seit 1505 in Betrieb – kannst du dich beim Blick hinter die Kulissen überzeugen, dass auch heute noch Brezel für Brezel von Hand geschlungen wird. Superknusprig: die schwäbischen Seelen.
Die Herrenstraße, an der im Mittelalter die Stadtherren residierten, ist immer noch wichtigste Geschäfts- und Flanierstraße. Gotische Treppengiebel, bunte Fassadenmalereien und Wirtshausschilder aus dem 18. Jh. bilden ein fotogenes Ensemble. Dort, wo heute der Marienbrunnen steht, erhob sich im Mittelalter der Pranger. Den Abschluss der Herrenstraße bildet das Liebfrauentor. Im Mittelalter zahlten die Besucher, die durch das Tor in die Stadt strömten, Pflasterzoll. Wer allerdings beim Verlassen einen Beichtzettel vorweisen konnte, dem wurde der gezahlte Betrag wieder erstattet.
Hingucker sind aber auch die modernen Akzente im historischen Stadtensemble: Figurenbrunnen, die liebevoll schwäbische Eigenarten aufs Korn nehmen. Nicht verpassen: das „Denkmal des verdruckten Allgäuers“, das sich erst in letzter Minute als Brunnen zu erkennen gibt. Wenn nämlich einer der „Verdruckten“ hinterrücks auf arglose Passanten spuckt. Auch nett: der Antoniusbrunnen für den Heiligen, den man gern mit Schweinen darstellt. Am Saumarkt fand er den passenden Platz.
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Lust auf einen Spaziergang durch eine weitere einstige Freie Reichsstadt im Allgäu? Hier entführte ich dich zum Stadtrundgang nach Memmingen im Unterallgäu.
#Ins Moor – Naturparadies Wurzacher Ried
Die kleine ehemalige Residenzstadt Bad Wurzach liegt an der Oberschwäbischen Barockstraße, aber auch an der Schwäbischen Bäderstraße und ist das älteste Moorheilbad im württembergischen Allgäu. Seit 80 Jahren weiß man hier um die heilende und wohltuende Wirkung des »Schwarzen Goldes«. Nicht so erstaunlich – schließlich ist das Wurzacher Ried das größte noch intakte Hochmoor in Mitteleuropa.
Vor rund 200 000 Jahren formte der Rheingletscher das Wurzacher Becken, in dem sich dann vor etwa 20 000 Jahren das Schmelzwasser des abtauenden Gletschers zu einem See aufstaute. Mit zunehmender Klimaerwärmung verlandete er. Abgestorbene Pflanzenpartikelchen lagerten sich ab ohne zu verrotten, weil der Sauerstoff fehlte. Im Lauf der Jahrtausende bildeten sie dicke Torfschichten. Hochmoor und Niedermoor sowie verschiedene Übergangsformen prägen heute das Wurzacher Ried.
Wie in vielen Mooren Oberschwabens stach man in Wurzach mehr als 200 Jahre lang Torf – Brenntorf, Streutorf für den Garten oder Badetorf, der schon früh als Heilmittel galt. Moorerde besitzt nämlich eine einzigartige Wärmespeicherkraft und wirkt wohltuend bei rheumatischen Erkrankungen, Arthrose und Bandscheibenleiden. 1996 sprachen Naturschützer ein Machtwort und stellten das Wurzacher Ried unter Naturschutz. Das rettete es davor, entwässert und abgetorft zu werden. So blieb ein Stück nacheiszeitlicher Urlandschaft erhalten, in dem mehr als 700 verschiedene Pflanzen wachsen – darunter Orchideen, Heidelbeeren, Wollgras, Sonnentau oder Moosbeere.
Eine Ausstellung im ehemaligen Zeiler Torfwerk, 1880 im Oberen Ried gegründet, ist heute Sitz des Oberschwäbischen Torfmuseums. Eine Ausstellung informiert über den Lebensraum Moor und die Geschichte des Torfabbaus, über die Heilkraft des Badetorfs und die Lebensbedingungen der Torfstecher. Am Wochenende zuckelt ein Torfbähnchen mit Besuchern ins Moor, das einst Torfstecher an ihren Arbeitsplatz brachte. Auch unter der Woche kannst du auf dem 1,5 km langen Torflehrweg zum Beispiel zum Riedsee wandern, der größten Wasserfläche im Ried, die durch Torfstich entstand.
Du interessierst dich für Gesundheitstourismus? Hier gibt es Infos zu weiteren Kurstädten in Deutschland.
#Automobilmuseum Wolfegg: Zeitgeschichte auf vier Rädern
Hoch über dem Achtal erhebt sich die mächtige Vierflügelanlage des Schlosses der Fürsten zu Waldburg-Wolfegg-Waldsee. Heute bietet die Residenz ein tolles Ambiente für Kulturevents, vor allem klassische Konzerte. Aber neben Liebhabern klassischer Musik pilgern vor allem Autofans ins kleine Wolfegg im Westallgäu.
Als ich vor mehr als 20 Jahren auf Recherche für meinen Allgäu-Reiseführer zum ersten Mal ein bisschen lustlos im Automobilmuseum eintraf – ich bekenne, ich habe mit Autos wenig am Hut –, begrüßte mich ein überaus charmanter älterer Herr in seinem Museum: Fritz B. Busch, Motorjournalist der ersten Stunde und eine lebende Legende.
Nach dem Museumsbesuch war ich immer noch kein Autofan, aber Fan von Fritz B. Busch und seinem Museum, das Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts mit Mopeds, Autos und Traktoren erzählte. In einem Mercedes Benz, wie ihn Hans Albers einst fuhr, lag der Regenmantel des Herzensbrechers und auf Knopfdruck ertönte »Hoppla, hier kommt Hans.« Und beim Anblick des Lancia von 1958 traf Fernweh auf Herz-Schmerz: »Steig in das Traumboot der Liebe, fahre mit mir nach Hawaii«.
Auch Legenden sterben und das Museum wechselte den Besitzer. Aber immer noch gibt es für Besucher reichlich Nostalgie auf Rädern: Ob Opel Kadett oder Porsche Targa, VW Käfer oder Trabi – zwischen Pkws und Motorrädern gehen Papas mit ihren Söhnen und Opas mit ihren Enkeln auf Zeitreise in ihre Jugend. Und manchmal auch Mamas mit ihren Töchtern. Ziemlich erstaunt sind die meisten der Kids, dass Vanlife keine Hipster-Erfindung der 2020er-Jahre ist, sondern schon ihre Großeltern begeisterte.
#Bauernhaus-Museum Wolfegg
Auf dem Hügel erhob sich die elegante Residenz, im Tal lebten die Bauern, denn das Allgäu war und ist Bauernland. Auf Einöden, in Dörfern und Weilern wurde und wird das Land bebaut. Im Bauernhofmuseum Wolfegg, das aus dem Fischerhaus des Schlossherrn hervorging, macht man einen Zeitsprung um 200 Jahre zurück.
Hart war der Alltag, gering der Verdienst. Das Museumsgelände wirkt, als wären die Bauern gerade aufs Feld gezogen. Die Betten sind zerwühlt, die Wäsche flattert im Wind, Gänse watscheln und schnarren, Hühner scharren auf dem Misthaufen. Ein belebtes Stück Bauerngeschichte und das zweite tolle Museum in Wolfegg.
#Am Jakobsweg: St. Stephan in Genhofen
Ein spätgotisches Kirchlein, das seinen spitzen Turm in den weiß-blauen Westallgäuer Himmel bohrt, steht an der alten Salzstraße. Sie bescherte den Bauern der Region einst einen wichtigen Nebenverdienst. Nur sie waren in ihrem Gebiet zu Roddiensten berechtigt, durften also den Transport auf Pferdefuhrwerken durchführen. Bevor die Fuhrleute die im Immenstädter Salzstadel geladene Ware im Westallgäuer Simmerberg abliefern konnten, war eine gefürchtete Steigung zu überwinden. Deshalb betete man in der kleinen Stephanskirche, um den hl. Stephanus, den Schutzpatron der Pferde, gnädig zu stimmen für die Unternehmung.
Ein gefragter Mann war damals der in Genhofen ansässige Schmied, der – wenn nötig – die Pferde vor dem letzten harten Anstieg noch beschlug. Hufeisen als Votivgaben zieren nicht zufällig die Tür zur Sakristei der Kirche. Heute hütet der Schmied, der schräg gegenüber der Kirche seine Werkstatt unterhält, den Kapellenschlüssel.
Höchst ungewöhnlich sind die Malereien im Kirchenschiff. Primitive Tier- und Menschendarstellungen erinnern fast an Höhlenmalereien. Dazu Drudenfüße und Hakenkreuze (Sonnenrunen) in Schwarz und Rot. Über den Sinn dieser Malereien haben Kunsthistoriker gerätselt. Vielleicht entsprangen sie einfach einer Laune der unbekannten mittelalterlichen Graffiti-Künstler.
Aber nicht nur Händler beteten hier, auch Jakobspilger. Schließlich liegt Genhofen am Münchner Jakobsweg, der von München nach Bregenz führte. Eine der Schnitzfiguren des Altars zeigt nicht zufällig den heiligen Jakobus, zu dessen Grab im spanischen Santiago de Compostela die Pilger unterwegs waren. Auch ein zweiter Patron der Reisenden, der heilige Christopherus, hält Wache. Für mich ist das Kirchlein ein wunderbarer stiller Platz, den ich fast immer für mich habe, wenn ich auf dem Weg ins Westallgäu hier Halt mache.
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- Hier nehme ich dich mit auf meine Pilgerwanderung auf dem Münchner Jakobsweg von Oberstaufen nach Lindau.
- Es muss nicht immer der Jakobsweg sein. Hier geht’s zu einer Pilgerwanderung im Pfaffenwinkel.
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#Das gelehrte Isny
Zu den freien Reichsstädten im Westallgäu gehörte auch Isny, ein nettes Schwabenstädtchen mit einem besonderen Juwel. Weil es ein bisschen im Verborgenen blüht, kann es Werbung vertragen.
Die katholische Stadtpfarrkirche St. Georg und St. Jakob im Zentrum von Isny schwelgt in üppigem Rokoko. Die Nikolaikirche in schlichter Gotik nebenan gibt sich protestantisch bescheiden. Die Bilder hatte man nach der Reformation verkauft, die meisten verbliebenen Ausstattungsstücke fielen dem Stadtbrand zum Opfer. Verschont blieb jedoch ein besonderer Schatz: die Predigerbibliothek.
Die weltgewandten und weit gereisten Bürger der Stadt wünschten sich als Ergänzung zu den Dorfpfarrern Gelehrte, die Griechisch und Hebräisch sprachen. Diese Prädikanten sammelten Handschriften und frühe Buchdrucke und trugen nach und nach die Schätze der Bibliothek zusammen.
Zu den Kostbarkeiten der original erhaltenen Bibliothek aus dem ausgehenden 15. Jh. gehören ein auf Pergament geschriebenes Messbuch aus dem 12. Jh., Stadtansichten des Kupferstechers Merian und sein sechsbändiger Amsterdamer Atlas aus dem 17. Jh. sowie zahlreiche Schriften aus der Zeit der Reformation u. a. von Luther, Melanchthon und Zwingli. Die Bibliotheksbesichtigung (mit Führung) ist ein Erlebnis für alle, die sich für Bücher und Geschichte begeistern.
#Glasmacherdorf Schmidsfelden
Ein dünn besiedeltes Mittelgebirge zwischen Kempten, Isny und Leutkirch – die Adelegg. Bis ins 17. Jh. streiften nur Jäger und Hirten durch die dunklen Wälder mit ihren verborgenen Schluchten und Tobeln. Dann erst kamen die Holzfäller, gefolgt von den Glasmachern, die riesige Mengen Holz zum Feuern ihrer Öfen brauchten. Auch andere Rohstoffe, die man zum Glasmachen benötigte – Kalk und Quarz –, waren hier im Überfluss vorhanden.
Die Glasmacher brachten Leben und Wohlstand in die abgelegene Region – 13 Glashütten entstanden zwischen 1660 und 1898. Waren die Wälder der Umgebung abgeholzt, zog das Dorf allerdings weiter. 1825 wurde Schmidsfelden gegründet, das einen letzten Aufschwung erlebte, als 1874 die Eisenbahnstrecke nach Isny ausgebaut wurde. Doch immer häufiger benötigte man das Adelegger Holz in der Papierherstellung, und 1898 wurde in der Adelegg das letzte Glas gefertigt.
100 Jahre hielt das Glasmacherdorf im Westallgäu mit seinem Ensemble aus Herrenhaus, Arbeiterhäusern, Kapelle und Glashütte Dornröschenschlaf. 1995, als Schmidsfelden zu verfallen drohte, beschlossen Heimatpfleger die Sanierung. Heute ist der Ort an der Grenze zwischen Bayern und Württemberg wieder ein Schmuckstück. Ein bisschen wie in Astrid Lindgrens Bullerbü fühle ich mich beim Bummel entlang der einzigen Dorfgasse, wo inzwischen wieder rund 40 Menschen leben – darunter auch ein Glasmacher der neuen Generation mit Familie.
Rückkehr des Glasmachers
Heute ist in der Glashütte wieder ein Glasmacher am Werk, der seine Glaspfeife allerdings nicht in den historischen Ofen aus dem 19. Jh., sondern in einen gasbefeuerten Hightech-Ofen hält. Stefan Michaelis demonstriert Besuchern, wie viel Geschick nötig ist, um die kleinen Kunstwerke durch Blasen, Drehen und Formen mit der Zange zu gestalten.
In den oberen Stockwerken der alten Glashütte kannst du im Glasmuseum in Dokumenten zur Glasgeschichte stöbern und einiges über die Geschichte der Glasbarone erfahren. Aber auch über den Alltag des einfachen Glasmachers.
Im Zentrum des Ortes liegt das Glasmagazin, wo noch heute verstaubte Flaschen, Röhren und Apothekergeräte aus dem 19. Jahrhundert lagern. Im Verwalterhaus waren Kornspeicher und Backofen untergebracht. Hier wurden auch die Junggesellen verpflegt – unter ihnen Glasmacher, Schürer, Schmelzer und Handlanger aus Böhmen, die den Glasmacherdörfern ein internationales Flair verliehen. Überhaupt waren im Bauernland Allgäu die Glasmacherdörfer frühindustrielle Inseln, in denen ein ungewöhnlich liberaler Geist wehte.
Vielieicht hast du ja noch Lust auf einen kleinen Spaziergang am Ufer der Eschach: Wie einst die Frauen und Kinder der Glasmacher kannst du hier nach Quarzbrocken suchen, dem wichtigsten Rohstoff in den Glashütten. Bevor das Quarz bei großer Hitze eingeschmolzen wurde, musste der Quarz im Pocher zermahlen werden – eine undankbare Tätigkeit, denn der Staub setzte sich in den Lungen fest.
#Alles Käse! Unterwegs auf der Westallgäuer Käsestraße
Alois Keck, Käsemeister der Käserei Hopfen im Westallgäu, streicht liebevoll über einen Käselaib. Dann bohrt er mit dem Käsehobel ein kleines Loch hinein: So kann der Fachmann den Reifegrad des Käses feststellen. Käsen ist hier noch Handarbeit, die großen Einsatz, Erfahrung und Feingefühl verlangt.
Allgäu ohne Käse? Undenkbar! Seit 200 Jahren prägt die Milchwirtschaft die Region und nirgendwo sonst liegen so viele kleine Sennereien so dicht beieinander wie im Westallgäuer Voralpenland. Auf der »Westallgäuer Käsestraße« kann man einige davon erwandern oder erradeln – und neben Sennereien liegen auch traditionelle Gasthäuser am Wegesrand.
Die Käserei Hopfen wurde wie viele andere kleine Käsereien entlang der Westallgäuer Käsestraße vor rund hundert Jahren gegründet, seit der Jahrtausendwende etwa wurde sie neu belebt. Die Käsemeister werden meist von der Genossenschaft der Bauern als Käser angestellt. Ein gutes Händchen und viel Erfahrung sind eine Voraussetzung für einen guten Käse. Die andere liegt in der Hand der Bauern: Milch von bester Qualität. 400 kg Käse werden in Hopfen produziert – dafür benötigt der Käser 4000 Liter Milch. Dann lagert er die fertigen Käselaibe zwischen 4 Monaten und einem Jahr.
Klasse statt Masse
Bergkäse ist nicht gleich Bergkäse: Käsespezialisten erkennen sofort, ob sie einen Sommer- oder Winterkäse an- schneiden. Die frischen Frühlingskräuter färben den Maikäse genau wie die Maibutter gelb, der Herbstkäse ist würzig-nussig, aber vornehm blass. Auch die Rasse der Kühe, die Lage der Wiesen, die Art der Gräser und Kräuter und viele andere Faktoren bestimmen den Geschmack des herzhaften Bergkäses – das erfahren Besucher bei einer Sennereiführung in einer der Heumilch-Sennereien entlang der Westallgäuer Käsestraße. Besucher, die sehen, wie viel Arbeit in einem Laib Käse steckt, verstehen, dass die Preise höher sein müssen als im Supermarkt. Und meist packen sie ein Stück Käse in den Kofferraum oder die Fahrradtaschen.
1997 schlossen sich einige Sennereien und Gasthöfe im Westallgäu zur Westallgäuer Käsestraße zusammen, um durch gemeinsame Marketingaktivitäten den Profit zu steigern – mit großem Erfolg. Die Mitgliedsbetriebe garantieren Qualitätsstandards – das beginnt beim Futter der rund 2500 Kühe, die den Rohstoff für den Westallgäuer Käse liefern. Das Ergebnis:
1.480 Tonnen Käse im Jahr. Davon 56 Tonnen Allgäuer Emmentaler und 755 Tonnen Allgäuer Bergkäse, die beiden Klassiker. Der Rest ist Käse-Vielfalt.
#Kräuterfrauen, Kräuterwirte und Kräuterhöfe im Kräuterdorf Stiefenhofen
Im Mittelalter wäre manche Allgäuer Kräuterfrau möglicherweise als Hexe verbrannt worden, heute reißt man sich um ihr neues altes Kräuterwissen. In kleinen Westallgäuer Ort Stiefenhofen hat man frühzeitig verstanden, dass Kräuterkunde im Trend liegt und sich als Kräuterdorf zertifizieren lassen. Dazu gehörten reichlich Angebote zum Thema Kräuter. Zum Beispiel Kräuterfrauen und Kräuterlandhöfe.
Wer einen Kräuterlandhof leiten will, muss strenge Kriterien erfüllen. Im Garten müssen mindestens 30 Kräuter wachsen, Kräutervitrine, Kräutertrocknung, Kräuterliteratur müssen vorhanden sein. Kraftorte müssen geschaffen werden, Aktivitäten wie Räuchern mit Kräutern oder Tee- oder Salbenherstellung müssen die Besitzer, meist die Bäuerinnen anbieten. Viel Arbeit. Aber mit dem Kräuterwissen wuchs auch das Selbstverständnis mancher Bäuerin, die mit den Kräutern plötzlich über Einkommen verfügte und zur gefragten Fachfrau wurde.
Kräuterparadies Bergwiese
Es grünt und blüht in den Allgäuer Alpen. Nach der Schneeschmelze verkünden die Krokusse das Nahen des Frühlings, auch wenn sie oft von verspäteten Schneemassen wieder zugedeckt werden. Bald darauf entfaltet sich auf den Bergwiesen eine einzigartige Blütenpracht: Bergflockenblume, Hornklee, Akelei, Berberitze, Glockenblume, Seidelbast und Türkenbund blühen um die Wette. Wer das allein der Kraft der Natur zuschreibt, irrt allerdings.
Das ›Gesamtkunstwerk‹ Bergwiese kann sich nur durch die sorgsame Bearbeitung der Wiesen durch den Bergbauern entwickeln. Denn nur er die Wiesen regelmäßig mäht, sprießt eine solche Vielfalt an Blumen, Heilkräutern und Gräsern. Wird die Wiese aber vor dem Ausreifen der Samen gemäht, geht diese Vielfalt verloren. Auch Überdüngung vertragen die Pflanzen nicht: Wenn zu viele Kühe auf der Wiese stehen, gedeiht nur noch der Sauerampfer.
Kräuter im Kochtopf
Was den Kühen eine Delikatesse ist, sollte auch dem Menschen munden, überlegten innovative Allgäuer Köche. »Allgäuer Heuwirte« begannen ungewöhnliche Gerichte mit Bergheu zu kreieren: Bergwiesenheusuppe, gebackene Heukartoffeln mit Schnittlauchtopfen oder Schupfnudeln mit Heublumen. Einer der mit seiner Kräuterküche in Stiefenhofen für Furore sorgte, war Axel Kulmus vom Traditionsgasthof Rössle in Stiefenhofen. Sein Kräuterweg begann vor Jahren mit dem Hype um Bärlauchpesto und führte zu verwegenen Kreationen wie einem Unkraut-Strudel.
Kräutergarten Artemisia
Der Westallgäuer Bauer Tilmann Schlosser war ein Kräuterpionier. 1997 gründete er Artemisia, heute Gärtnerei mit riesigem Kräutergarten, der immer frei zugänglich ist. Eine Fundgrube für Kräuterfans ist der Hofladen mit eigenen Tees und Räuchermischungen, aber auch Büchern, Räucherschalen, Räucherzeug, Kosmetika und mehr.
Die Kräutermischungen sind handverlesen. Die Kräuter aus dem Garten werden auf dem Dachboden getrocknet, einem Ort der wundersamen Düfte. Ein Stockwerk tiefer werden die Mischungen zusammengestellt. Herz des Ganzen ist eine Teestube mit leckeren Tees, selbst gebackenen Kuchen und kleinen Gerichten.
#Gut behütet: Hutmuseum Lindenberg
Pferdehändler brachten die Kunst des Hutflechtens aus Italien ins Westallgäu und machten das kleine Lindenberg zur Strohhutmetropole Europas, zum »Klein-Paris« der Hutmode. Schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts war das Verflechten des einheimischen Naturmaterials Stroh ein wichtiges Zubrot für manche Bauernfamilie.
Ende des 19. Jahrhunderts versorgten 34 Hutfabriken in Lindenberg das Westallgäu mit Arbeitsplätzen, 1933 produzierte Lindenberg noch Hüte für alle fünf Kontinente. Zum Bedauern aller Hutfans hat nur eine einzige Lindenberger Hutfabrik die Ära der hutlosen Mode überlebt.
300 Jahre Lindenberger Hutgeschichte zum Anfassen und Aufsetzen präsentiert das Hutmuseum in der ehemaligen Hutfabrik Raich: Hier kannst in die Welt der Hutmacherinnen, Huthändler und Hutfabrikanten in Zeiten eintauchen, als man selbstverständlich stets »gut behütet« war. Nebenan, im einstigen Kesselhaus der Fabrik, wo man den Dampf zum Pressen der Filzhüte erzeugte, können Besucher nach dem Museumsbesuch heute fein speisen.
#Weitblick in Scheidegg
Scheidegg liegt in 800 m Höhe im Westallgäu auf dem Rücken des Pfänders wie auf einer Sonnenterrasse über dem Bodensee. Besonders genial ist der Blick vom Skywalk. In bis zu 40 Meter Höhe spazierst du dort auf einem Baumwipfelpfad auf Stegen zwischen den Kronen von 34 Baumarten quasi durch den Himmel. Wie ein Skywalker halt.
Von der obersten Aussichtsplattform reicht der Blick bis zu den Alpen und zum Bodensee. Für Nervenkitzel sorgt die Abkürzung zurück nach unten durch ein überdimensionales Spinnennetz und die Röhrenrutsche. Zurück auf dem Boden machen Streichelzoo und Abenteuerspielplatz Kinder glücklich, während die Eltern entspannt von der Picknickwiese oder vom Biergarten aus zuschauen.
Mein Favorit ist aber der Naturerlebnispfad mit Tannenzapfenschleuder, Spechtwippe, Barfußpfad und vor allem dem Areal zum Waldbaden. Der Trend kommt aus Japan, wo Erholung im Wald schon lange angesagt ist, um Stresshormone abzubauen, den Blutdruck zu senken und die Stimmung zu verbessern. Auf der Relaxliege im Skywalk-Wald fühlt sich garantiert jeder dem Stress der Welt entrückt – cooler und sehr viel günstiger als jedes Wellnesshotel.
Interessante Abstecher vom Westallgäu
- Nur einen Katzensprung vom Westallgäu entfernt lockt Lindau am Bodensee.
- Am Rande des Westallgäus liegt der Moorkurort Bad Waldsee, den Daniel vom Reiseblog & Kreuzfahrtblog fernwehblog.net vorstellt.
Hallo, ich bin Elke. Schon als kleines Mädchen immer mit dem Finger auf der Landkarte unterwegs. Als Reisejournalistin, Reisebuchautorin und Reiseleiterin heute Berufsreisende. Mit viel Know-how zu Asien und Neuseeland, aber auch leidenschaftlich gern vor der Münchner Haustür – in Oberbayern oder im Allgäu – unterwegs. Am liebsten mit Wanderstiefeln oder mit dem Fahrrad. Auch wenn ich schon einiges von der Welt gesehen habe – die Entdeckerlust ist immer noch endlos. Wo ich mich aktuell herumtreibe, erfahrt ihr auf meinem Insta-Profil.
10 Kommentare
Marike
10. April 2021 at 10:08Ich möchte ins Moor! Lustig, so ein Glasbläserdorf haben wir hier in Brandenburg auch. Danke für den Bericht! Ich komm ins Allgäu!
Elke
10. April 2021 at 10:15Welcome! Bin ja jetzt Einheimische 😉
Liebe Grüße
Elke
Andrea Heming
10. April 2021 at 12:02Wie kann ich denn per wordpress folgen? Leider finde ich gar kein Knöpfchen…
Elke
10. April 2021 at 13:50Liebe Andrea,
ich arbeite dran – bitte noch um ein bisschen Geduld 😉
Liebe Grüße
Elke
Marion Golder
13. April 2021 at 16:12Hallo liebe Elke,
das macht Lust auf eine Tour durch das Allgäu,
danke für die vielen interessanten Tipps!
Gruss
Marion
Elke
13. April 2021 at 16:55Dann viel Spaß im Allgäu, liebe Marion!
Liebe Grüße
Elke
Christiane
5. Mai 2021 at 12:43Liebe Elke, du hast Kindheitserinnerungen bei mir geweckt! Ich habe 10 Jahre in Weiler bei Lindenberg gelebt. Das Hut Museum habe ich damals schon geliebt und bei Fidelisbeck in Wangen waren wir Stammgast. Damals kam mir das, alles nicht so schön vor. Du hast es wunderbar in Szene gesetzt. Danke dafür. LG Christiane
Elke
5. Mai 2021 at 14:39Liebe Christiane,
wie schön, dass ich dich ein bisschen in deine Kindheit entführen konnte!
Vielen Dank für den Kommentar!
Liebe Grüße
Elke
Werner Waibel
9. April 2023 at 10:23Da lebe ich auch, in Weiler i. Allg. Liebe Grüße Werner
Elke
9. April 2023 at 14:11Was für ein schöner Wohnort, lieber Werner!
Liebe Grüße
Elke