Jahr für Jahr ziehen im Frühsommer rund 40 000 Allgäuer Kühe in die Berge, um drei Monate Sommerurlaub auf den saftigen Bergweiden der Käsealpen im Allgäu zu genießen. Die Sennalpen sind für Urlauber wunderbare Wanderziele, und fast immer können sie den leckeren Bergkäse, der vor Ort gekäst wird, auch an Ort und Stelle probieren. Hier stelle ich dir meine drei Familienwanderungen zu Käsealpen im Allgäu vor: zur Willersalpe im Hintersteiner Tal bei Bad Hindelang, zur Alpe Schlappold auf dem Fellhorn bei Oberstdorf und zur Alpe Sonnhalde auf dem Weg zu den Buchenegger Wasserfällen bei Oberstaufen.
Außerdem erfährst du hier, wie der Alltag von Senn und Sennerin auf einer Allgäuer Alpe aussieht, was handgemachten Käse ausmacht und wie die Löcher in den Käse kommen.
Willersalpe in Bad Hindelang – Alp-Nostalgie im Hintersteiner Tal
Um 4.30 Uhr beginnt der Arbeitstag für Markus Bertele im Kuhstall. Der Mann mit der kleinen goldenen Kuh im Ohr ist Senn auf der Willersalpe im Hintersteiner Tal, die er seit 1999 bewirtschaftet. 26 Kühe warten darauf, gemolken zu werden.
Ein Schmuckstück und ein wunderbares Wanderziel ist die Käsealpe, die um 1500 erstmals erwähnt wurde. Vor der Hütte in 1456 m Höhe grasen Packpferde, die bis 2017 noch fast täglich ins Tal und zurück liefen – beladen mit allem, was in Haushalt und Wirtschaft benötigt wird. Auch heute führen weder eine Fahrstraße noch eine Materialseilbahn zur Willersalpe hinauf. Inzwischen transportiert aber ein kleines Raupenfahrzeug, ein „eisernes Pferd“, schwere Lasten nach oben.
Ein weiteres Zugeständnis an die Moderne sind auf der Käsealpe im Allgäu Sonnenkollektoren auf dem Dach, die dafür sorgen, dass Käsekesselrührer und Melkmaschine funktionieren. Trotz der kleinen Helfer betreibt Markus Bertele auf der Willersalpe Alpwirtschaft auf traditionelle Art. Und Komfort wie Warmwasser sucht man vergeblich. Sicher auch ein Grund, deshalb seine Alpe Kult ist. Während der Saison kommen viele Wanderer wegen der zünftigen Brotzeiten, und manch einer bleibt im Matratzenlager, was jedoch nicht in jedem Jahr möglich ist.
Wanderung zur Willersalpe
Wanderung: Der Wanderweg zur Willersalpe ist ab dem Wanderparkplatz Hintersteiner Tal in Bad Hindelang ausgeschildert. Der Aufstieg auf schmalen, stetig ansteigenden Wanderpfaden dauert 1,5 bis 2 Stunden – begleitet vom Rauschen des Willersbachs. Die Hochebene, auf der die Alpe liegt, ist ein Naturparadies mit Blumenwiesen und traumhafter Bergkulisse mit Blick auf Ponten, Zirleseck, Zerrerköpfle und Gaishorn. Wer noch nicht ausgepowert und frühzeitig unterwegs ist: Die Willersalpe ist Ausgangspunkt für weitere Wanderungen.
Info: Willersalpe, Hinterstein/Bad Hindelang, Tel. 0171 993 98 47, geöffnet vom 27. Mai bis 3. Oktober. In der Gaststube der Willersalpe gibt es zünftige Brotzeiten. Übernachtungsmöglichkeit im einfachen Matratzenlager für 30 Personen (2024 nicht möglich).
Hier findest du weitere Ausflugsziele in Bad Hindelang.
Sommerfrische für Allgäuer Kühe – Käsealpen im Allgäu gestern und heute
Schon im Mittelalter rodeten Allgäuer Bauern Weideflächen im Gebirge, auf denen Hirten im Sommer das Vieh versorgten. Sinn der Alpwirtschaft war und ist bis heute einerseits, das Gras auf den Talwiesen als Winterfutter aufzusparen. Außerdem ist das Vieh, das Tag für Tag die Bergwelt durchstreift und leckere Kräuter frisst, gesünder und widerstandsfähiger als Kühe, die ihr Leben im Stall verbringen und von Kraftfutter leben.
Mit dem Aufkommen der Massenviehhaltung geriet die Alpwirtschaft in eine tiefe Krise. Der Auftrieb der Tiere auf die Bergweiden erschien manchem Bauern mühselig und teuer, die Käserei wurde mehr und mehr ins Tal verlegt. Von Jahr zu Jahr wurden weniger Sennalpen bewirtschaftet.
Attraktive Förderprogramme sorgten jedoch im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts für ein Comeback der Alpwirtschaft in den Allgäuer Alpen. Käsealpen im Allgäu kamen wieder in Mode. Das kommt dem Vieh zugute, aber auch der Landschaft. Alpweiden, die nicht mehr beweidet werden, verbuschen. Alpwirtschaft erhält die charakteristische Allgäu-Landschaft. Und wegen dieser Landschaft, die Ruheplätze für gestresste Seelen garantiert, kommen schließlich die Urlauber. Ende Mai oder Anfang Juni treiben Senn und Sennerin die Tiere auf die Alpen, Mitte September, wenn der Herbst in den Bergen Einzug hält, geht es zurück ins Tal.
Alpe Schlappold bei Oberstdorf – Käseparadies auf dem Blumenberg Fellhorn
Die größte und höchstgelegene Käsealpe im Allgäu (1760 m) – bereits seit 300 Jahren als genossenschaftlicher Betrieb geführt – liegt mitten im Naturschutzgebiet Fellhorn bei Oberstdorf. Hier verbringen 80 Kühe ihre Sommerfrische. An den rund 100 Alptagen geben sie ca. 90.000 l Milch, aus der das Schlappold-Team circa 9 Tonnen Hochalpbergkäse nach uraltem Rezept macht. Außerdem Butter, Joghurt, Quark und andere Käsesorten. Das Abfallprodukt beim Käsen, die Molke, nährt 30 frei laufende Alpschweine. Deren Schinken und Speck wiederum sind weitere köstliche Produkte, die direkt auf der Alpe in frischer Bergluft am besten schmecken.
Wanderung zur Alpe Schlappold
Wanderung: Mehrere Wege führen zur höchstgelegenen Käsealpe in den Allgäuer Alpen. Der bequemste führt von der Bergstation der Fellhornbahn auf einem breiten Pfad in ca. 30 Minuten – vorbei am türkisfarben schimmernden Schlappoldsee – ins Käseparadies. Eine schöne Runde (Wanderweg 4a, circa 2,5 Stunden) führt von der Bergstation auf dem Gratweg zum Söllerkopf (1940 Meter). Dort ist der Weg zur Alpe hinunter ausgeschildert. Aber unbedingt Zeit einplanen, um die Blicke genießen zu können – auf der einen Seite auf die Gipfelparade der Allgäuer Alpen bis zum Grünten, auf der anderen der Blick ins Kleinwalsertal mit dem markanten Hohen Ifen und dem schroffen Gottesackerplateau.
Info: Alpe Schlappold, Fellhorn/Oberstdorf, geöffnet ab dem 18. Mai. Die Alpe bietet eine abwechslungsreiche Speisekarte mit Brotzeiten und warmen Speisen.
Alltag auf einer Käsealpe im Allgäu
Nach dem Melken beginnt für Senn und Sennerin die eigentliche Arbeit auf den Käsealpen im Allgäu. Im Kessel werden die entrahmte Milch vom Vorabend und die frische Morgenmilch vermengt und alles zusammen auf 32 °C erwärmt. Dann kommt eine Kultur aus Milchsäurebakterien in den Kessel, die am Tag zuvor angesetzt werden muss. Sie beeinflusst den Geschmack des Käses und ist dafür verantwortlich, dass sich später bei der Reifung die Löcher im Käse entwickeln. Dosis und Mischung müssen stimmen. Später kommt noch Lab hinzu, ein Enzym aus dem Kälbermagen, das die Milch zum Gerinnen bringt.
Jetzt muss die Milch im Kessel 30 Minuten ruhen. Endlich Zeit fürs Frühstück. Es folgt der Griff zur »Käseharfe«. Der Zauberstab des Käsers ist ein Schneidegerät mit stählernen Saiten, mit dem die eingedickte Milch sorgfältig zerteilt und dann auf 52 °C erhitzt wird. Der »Bruch«, erbsengroße Klümpchen, die nach dem Pressen zu Käse werden, wird anschließend mit einem Leintuch aus der Molke gehoben und in eine runde Form gepresst. Am nächsten Tag wird dieser Käselaib für 72 Stunden in eine Salzlake gelegt, um die Rinde zu bilden. Nach außen gut geschützt kann der Käse im Inneren reifen.
Neben der Tagesproduktion darf die Käsepflege im Erdkeller nicht zu kurz kommen. Die Laibe lagern dort 4–12 Monate ihrer Vollendung entgegen und müssen jeden zweiten Tag gebürstet, gewendet und mit Salzlake eingerieben werden, um die Rinde zu pflegen und Schimmelbildung zu verhindern.
Während der Reifezeit gärt es im Käse und die geheimnisvollen Löcher entstehen: Bakterien im Inneren des Käselaibs fressen Fetttropfen und stoßen dabei Kohlensäure aus. So bilden sich kleine Höhlen, die beim Schneiden zu Löchern werden.
Trotz moderner Hilfsmittel hat sich an der Arbeit des Käsens in den letzten 100 Jahren wenig geändert. Heute wie damals ist neben der Erfahrung und dem Fingerspitzengefühl des Käsers vor allem die Qualität der Milch für den Geschmack des Käses zuständig. Die Milchqualität wiederum beeinflusst das Futter. »Die guten Kräuter hier oben schmeckt man im Käse«, beteuern die Käser. Und auch der gehobene Preis für den Käse erklären sie gern: Ein Regal vom Schreiner kostet mehr als von der Stange bei Ikea. Logisch, dass die Handarbeit von der Alpe teurer ist als der Supermarktkäse.
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Alpe Sonnhalde bei Oberstaufen – Slow Food auf der Bioalpe
Über den Gipfel des Hündle führt der Weg zur Alpe Sonnhalde, die seit mehr als 40 Jahren nach Demeter-Richtlinien bewirtschaftet wird. Viele Jahre lang bewirtete Jakl Köhler hier seine Gäste, als er 2023 in den verdienten Ruhestand ging, übernahm ein neues Team: Andrea und Florian Maucher mit ihrer Tochter Larissa sind die neuen Betreiber im Auftrag des Vereins zur Erhaltung Allgäuer Kuturlandschaft e. V..
Am besten einen Platz unterm Holunderbaum suchen und die Spezialitäten probieren! Berühmt ist der gebackene Ziegenkäse mit gekräuterten Bratkartoffeln (Bachena Goißekäs mit Röstkartoffla). Eine echte Götterspeise! Aber auch alles andere ist prima.
Die Wanderung zur Alpe Sonnhalde
Wanderung: Der Premium-Wanderweg „Wildes Wasser“ führt von der Bergstation der Hündlebahn über den Gipfel des Hündle zur Alpe Sonnhalde. Es wartet jedoch noch ein weiterer Höhepunkt: die Buchenegger-Wasserfälle. Auf dem Weg dorthin geht es zur Weißach hinunter und über den Tarzansteg wieder bergauf in Richtung Steibis. Ein letzter Abstieg führt zu den Buchenegger-Wasserfällen, wo die Wassermassen der Weißach über zwei Felsstufen in die Tiefe stürzen. Der zugängliche untere Wasserfall ist 18 Meter hoch. Dann geht es zurück durch einen der letzten Urwälder Deutschlands, das Naturwaldreservat Achain und auf gleichem Weg zur Bergstation des Hündle. Insgesamt circa 4 Stunden reine Gehzeit.
Info: Alpe Sonnhalde, Oberstaufen, geöffnet: Die Alpe erwacht am 1. April aus dem Winterschlaf. Nach und nach finden sich die Tiere aus dem Tal ein: Ziegen, Hühner und Schweine. Ab Juni grasen auch Kühe und Jungvieh auf den Alpflächen, die seit 1989 nach DEMETER-Richtlinien bewirtschaftet werden. Spezialität ist der Ziegenkäse.
Der Viehscheid am Ende des Alp-Sommers
Rund hundert Tage genießen die Allgäuer Küche ihre Sommerfrische auf der Alpe. Gut gemundet hat ihnen das mit Bergkräutern versüßte Gras hoch oben am Berg, frisch war die Luft, und für reichlich Auslauf war gesorgt. Aber irgendwann im September geht auch der schönste Alpsommer zu Ende. Der Tag des Alpabtriebs, der Viehscheid, ist gekommen.
Ist der Alpsommer auf den Käsealpen im Allgäu ohne Zwischenfälle verlaufen und kein Tier in den Bergen zu Schaden gekommen, darf das »Kranzrind«, das schönste und kräftigste Tier der Herde, ein kunstvolles Kranzgebinde aus Natur- und Seidenblumen, Gräsern, Farnen, Silber- und Golddisteln tragen. Ein kleiner Spiegel, der die bösen Geister vertreiben soll, ergänzt den Schmuck, genau wie das Kreuz zur Anrufung der himmlischen Mächte. Gut, wenn man sich nach allen Seiten absichert!
Auch die übrigen Tiere – in einigen Gemeinden machen alle Herden zusammen mehr als tausend Tiere aus – sind herausgeputzt für die Kameras der Fotografen und kündigen sich mit ohrenbetäubendem Glocken- und Schellengeläut an. Am Scheidplatz, der meist außerhalb des Ortes liegt, wird der eigentliche Viehscheid abgehalten. Jeder Hirte ruft den Namen des Bauern auf, der ihm seine Tiere anvertraut hat. Anschließend scheidet (trennt) er die jeweiligen Kühe aus der Herde, und dann darf ausgiebig gefeiert werden.
Weiterlesen
- Eine Wanderung ganz anderer Art ist der Münchner Jakobsweg, der durchs Allgäu zum Bodensee führt.
- Du suchst Wanderungen im Allgäu, die auch mit kleinen Kindern Spaß machen? Meine Blogger-Kollegin Angela von Unterwegs mit Kind hat viele Ideen gesammelt.
Hallo, ich bin Elke. Schon als kleines Mädchen immer mit dem Finger auf der Landkarte unterwegs. Als Reisejournalistin, Reisebuchautorin und Reiseleiterin heute Berufsreisende. Mit viel Know-how zu Asien und Neuseeland, aber auch leidenschaftlich gern vor der Münchner Haustür – in Oberbayern oder im Allgäu – unterwegs. Am liebsten mit Wanderstiefeln oder mit dem Fahrrad. Auch wenn ich schon einiges von der Welt gesehen habe – die Entdeckerlust ist immer noch endlos. Wo ich mich aktuell herumtreibe, erfahrt ihr auf meinem Insta-Profil.
2 Kommentare
Marike
6. April 2021 at 20:37Darf ich bitte mitwandern und Markus Bertele treffen? Um die Kuh im Ohr zu sehen, werde ich die Strecke schaffen!
Elke
6. April 2021 at 21:20Lohnt sich, ist ein ganz Süßer ;-)! Und guten Käse macht er sowieso.
Liebe Grüße
Elke