Wenn du ans Allgäu denkst, denkst du vermutlich an Käse, Kühe, grüne Alpwiesen und schroffe Alpengipfel. Das Allgäu hat aber mehr als Kuhdörfer zu bieten. Es gibt auch das städtische Allgäu mit den ehemaligen Freien Reichsstädten, die mit ihren Mittelalterkulissen heute noch von Blütezeiten des Handels erzählen. Kaufbeuren, Isny und Wangen gehören dazu. Und Memmingen.
Ich bin großer Fan der kleinen Stadt im flachen Unterallgäu, die nicht immer die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient. Neben reichlich Historienflair gibt es dort auch sehenswerte Museen, eine beeindruckende Kneipenszene, ein tolles Stadttheater und traditionsreiche Feste. Hier nehme ich dich mit auf einen Stadtrundgang durch die Altstadt, der an allen Sehenswürdigkeiten in Memmingen vorbeiführt. Zum Schluss geht’s auf einen Abstecher zur Kartause Buxheim. Du suchst weitere Ideen für Citytrips? Hier stelle ich dir meine schönsten Städte in Bayern vor.
Inhaltsverzeichnis
Stadtrundgang in Memmingen
Vor dem Stadtrundgang zu den Sehenswürdigkeiten in Memmingen ein Häppchen Geschichte. Neuerdings schmückt sich Memmingen mit dem Titel „Stadt der Freiheitsrechte“ – schließlich formulierten hier 1525, ermutigt durch die Reformation, Bauern ihre Forderungen nach einem selbstbestimmten Leben in zwölf Artikeln. Diese gelten als erste niedergeschriebene Forderung nach Menschen- und Freiheitsrechten in Europa, machten schnell die Runde und katapultierten Memmingen in den Brennpunkt der Geschichte.
Auch wenn die Sache der Bauern nicht gut ausging (dazu später mehr beim Kramerzunfthaus am Weinmarkt) – das historische Ereignis werden die Memminger 2025, wenn es sich zum 500. Mal jährt, ausgiebig feiern. Doch abgesehen vom großen Jubiläum ehrt die Stadt alle vier Jahre Menschen, die sich im Hier und Jetzt um die Freiheit verdient gemacht haben, und hält so die Erinnerung an die Bauernartikel lebendig.
Memmingen gehört eindeutig zum Bundesland Bayern, aber eigentlich sind die Memminger Schwaben. Als die Stadt 1803 die Reichsfreiheit verlor, jammerte man. „Nun müssen wir bayerisch werden. Um unserer vielen Sünden willen haben wir dies nicht anders verdient“, soll ein Pfarrer geseufzt haben. Das Schwäbeln ist den Memmingern nicht vergangen. Auch nicht der Humor. Gern nimmt man die Einfältigkeit, die man den Allgäuer Schwaben nachsagt, auf die Schippe. In der Geschichte vom Memminger „Mau“ (Mond) zum Beispiel.
Geschichte vom Memminger Mau
In einer klaren Vollmondnacht wankten ein paar Memminger vom Gasthaus Zum Goldenen Löwen heim, wo sie dem Wein kräftig zugesprochen hatten. Unterwegs entdeckte einer, wie sich der Mau in einem der Zuber spiegelte, der zum Feuerlöschen unter einer Dachtraufe stand. Die Zecher kamen auf eine geniale Idee: Man könnte doch den Mau herausfischen und sein Licht nutzen. Der Stadtfischer wurde geholt und rückte mit Netzen an. Neugierig verfolgten die Bürger das Schauspiel aus den Fenstern. Ob es gelungen ist, den Mau einzufangen, ist nicht belegt. Jedenfalls kann man heute den Memminger Mau, in Schokolade gegossen, in vielen städtischen Bäckereien kaufen.
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Stadtrundgang zu allen Sehenswürdigkeiten in Memmingen
Dein Stadtrundgang durch die Altstadt von Memmingen beginnt auf dem Marktplatz. Wie der Name vermuten lässt, hielt man hier im Mittelalter Markt ab. Heute drängen sich wieder zweimal in der Woche (Dienstag und Samstag) die Marktstände mit Köstlichkeiten der Region von Allgäuer Käse über Kräuter und Honig bis zum Obstbrand. An den restlichen Wochentagen haben Besucher freien Blick auf die Architektur.
Memmingen – Stadt der Tuchhändler und Indienfahrer
Als Memmingen 1268 Freie Reichsstadt wurde, begann eine einzigartige Blütezeit. Handwerker produzierten Tuch, Leder- und Eisenwaren, Kaufleute vertrieben Luxusgüter wie Salz, Wein, Gewürze und Seide. Ihr könnt euch vorstellen, wie Händler auf dem Marktplatz lautstark um die Waren feilschten. Die bedeutendste Memminger Handelsgesellschaft schloss sich Ende des 15. Jahrhunderts mit den Augsburger Welsern zur „Großen Deutschen Kompanie“ zusammen und brach sogar zu Abenteuern auf hoher See auf: Memminger Kaufleute beteiligten sich wagemutig mit zwei Schiffen an Handelsfahrten der Portugiesen nach Indien.
Blüte der Kultur im Mittelalter
Der blühende Handel brachte auch die Kultur zum Blühen: So wirkte die Künstlerfamilie Strigel in Memmingen, von der später noch die Rede sein wird, und polierte die Stadt mit Malereien und Schnitzaltären auf.
Aber zurück zum Marktplatz. Hingucker Nummer eins ist das Steuerhaus, Ende des 15. Jahrhunderts als „Schuhhaus“ mit Schuhmacherwerkstätten errichtet. Heute Sitz der Stadtverwaltung. Arkaden sorgen für südländisches Flair – vor allem, wenn im Sommer die Straßencafés locken. Die charakteristischen farbenfrohen Malereien sind allerdings erst gut hundert Jahre alt.
Das Rathaus nebenan passte sich im Laufe der Geschichte den Baumoden an. Ende des 15. Jahrhunderts entstand es als gotisches Giebelhaus, 100 Jahre später bekam es ein Renaissance-Gesicht. Erker und Hauben verpasste man ihm zur Zeit des Rokoko. Die Großzunft schließt den Platz zur Ostseite hin ab. Hier hatte die Zunft der Stadtadeligen ihren Sitz, die bis 1347 das Sagen in der Reichsstadt hatte.
Zu den Sehenswürdigkeiten in Memmingen gehören natürlich auch ein paar sakrale Schätze. Ein Schlenker führt zum geistlichen Zentrum der mittelalterlichen Stadt, der heutigen evangelischen Stadtpfarrkirche St. Martin, einem spätgotischen Bau. Unbedingt reinschauen! Die Zangmeisterkapelle ließ die gleichnamige Adelsfamilie mit Fresken schmücken, die Reformatoren später als überflüssigen Schnickschnack übertünchten. Restauratoren legten die Kunstwerke erst im 20. Jh. wieder frei. Sie stammen von Bernhard Strigel, dem Star der Memminger Künstlerfamilie, der uns gleich im Chorgestühl noch einmal begegnet.
Das Meisterstück der Kirche schuf ein Team aus der Schnitzerschule des Ivo Strigel im frühen 16. Jahrhundert. Ein Geniestreich sind die Porträts, die die Wangen der Sitze schmücken: Memminger Bürger vom Bürgermeister über den Kirchpfleger, den Schulmeister, den Antonierpräzeptor bis zu Bernhard Strigel blicken euch mal würdevoll, mal schelmisch, mal verschlagen ins Gesicht.
Ein Spaziergang am Memminger Stadtbach
Die schönsten Wege durch Memmingen führen am Stadtbach entlang. Zahlreiche Weinstuben und Bierkneipen säumen die Bachgassen, schließlich gehört man zu den Städten mit der höchsten Kneipendichte Deutschlands.
Am Memminger Stadtbach siedelten im Mittelalter Handwerker, die auf Wasser als Antriebskraft, zur Kühlung oder zum Wässern ihrer Waren angewiesen waren: Müller, Töpfer, Schmiede, Metzger und Gerber. Um der Hygiene willen musste das gemächlich dahinfließende Bächlein einmal jährlich abgelassen und gereinigt werden – schließlich führten Bäche im Mittelalter allerhand wenig Appetitliches mit sich. Das jährliche Ritual war Aufhänger für ein ausgelassenes Fest: den Fischertag. Seit 1900 wieder eine feste Größe im Festkalender Memmingens.
Höhepunkt im Festkalender: der Fischertag in Memmingen
„Schmotz, Schmotz, Dreck auf Dreck, Schellakönig, wüaschte Sau.“ Beschwörungsformel oder Kampfgeschrei? Derbe Worte auf jeden Fall. Die Fischerhymne, die man am Fischertag – am letzten Samstag vor Beginn der Sommerferien – überall in der Stadt hören kann.
In den frühen Morgenstunden versammeln sich mehr als 1000 Freizeitfischer nach alter Tradition am Schrannenplatz, um pünktlich gegen 8 Uhr mit ihren „Bären“, den traditionellen Fischernetzen, in den Bach zu springen oder zu „jucken“, wie man hier sagt. Eine halbe Stunde später ist schon alles vorbei.
Die 3000–4000 Forellen, die im September eingesetzt und mit Spezialfutter gemästet worden waren, sind ins Netz gegangen. Dann schreitet man zum Wiegen. Der Fischer, der die größte und dickste Forelle ergattert hat, darf für ein Jahr die Krone des Fischerkönigs tragen. Doch die Titelehre bringt nicht nur Freude, sondern strapaziert auch den Geldbeutel. Schließlich will der ganze Fischertagsverein ausgehalten werden. 2021 erwartet man gespannt eine Premiere: Erstmals dürfen Frauen mitfischen. Das entschied ein Richterspruch 2020. Auf zum Fischer:innentag!
Das Kramerzunfthaus – Memmingen und die Bauernkriege
Am Weinmarkt, einst der Platz der Zünfte, ragt noch der Fachwerkgiebel der Weberzunft auf, der größten der Memminger Handwerkerzünfte im Mittelalter. Der steinerne Giebel am entgegengesetzten Ende des Platzes gehört zum einstigen Kramerzunfthaus, wo Bauern 1525 auf die Barrikaden gingen und die „Zwölf Artikel“ formulierten, die zum Manifest der Bauernbewegung wurden.
Die Bauern forderten unter anderem die Aufhebung der Leibeigenschaft, des Zehnten und der Frondienste. Wie ein Flächenbrand breitete sich der Aufstand aus. Er endete tragisch: Truchsess Georg von Waldburg („Bauernjörg„) schlug den 4000 Mann starken Allgäuer „Haufen“ vernichtend. Allein im Allgäu wurden 10.000 Bauern hingerichtet. Den 500. Jahrestag des Bauernaufstands will man 2025 feierlich begehen.
Zentrum des Handels: der Schrannenplatz
Nächste Station auf dem Stadtrundgang zu den Sehenswürdigkeiten in Memmingen ist der Schrannenplatz. Er war im 15. Jahrhundert Zentrum des städtischen Kornhandels: Drei Getreidespeicher, Kornhaus, Haberhaus und Gerstenstadel nahmen Getreide auf. An ihrer Stelle erhebt sich heute – nach dem Abriss der Schrannenhalle in den 1950er-Jahren – das Verlagshaus der Memminger Zeitung. Über die Schönheit des Nachkriegsbaus lässt sich streiten. Ein Juwel des Mittelalters liegt aber gleich um die Ecke im ehemaligen Gerberviertel, das damals viele kleine Bäche durchflossen. An alte Zeiten erinnert das Siebendächerhaus, dessen luftige Dachböden viel Platz für das Trocknen der gegerbten Felle boten.
Das Stadttheater am Theaterplatz hat – erstaunlich für eine Stadt von rund 40 000 Einwohnern – ein eigenes Ensemble. Das Frauenteam an der Spitze brachte frischen Wind in die Stadt und bringt preisgekrönte Inszenierungen auf die Bühne. Tatsächlich hat das Theaterspielen in Memmingen Tradition, denn schon im Mittelalter führte man auf dem Weinmarkt Osterspiele auf.
Fuggerbau – Kaufleute und Feldherren
Über die Obere Bachgasse und den Rossmarkt geht es zum Fuggerbau, Ende des 16. Jahrhunderts Handelsniederlassung der Augsburger Fugger. Doch seine große Stunde schlug 100 Jahre später – zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs, der die Stadt schwer traf. 1630 bezog niemand Geringerer als der kaiserliche Feldherr Wallenstein im Fuggerbau für mehrere Monate Quartier, bis er von seiner Absetzung erfuhr. Zwei Jahre später hielt sein Kontrahent, der Schwedenkönig Gustav Adolf, in Memmingen Einzug. Daran erinnert heute alle vier Jahre das Historienspektakel der Wallensteinspiele.
Wallensteinspiele in Memmingen
Ein absolutes Highlight ist das Wallensteinfest alle vier Jahre. Dann verwandelt sich Memmingen für eine Woche in das Lager des Feldherrn Wallenstein, der die Reichsstadt im Sommer 1630 ins Zentrum der Weltgeschichte rückte.
Wallenstein und sein Tross halten Einzug: Edelleute, Soldaten, Kürassiere, Musketiere, Pikeniere und Gallas-Dragoner, im Gefolge Frauen und Kinder, Marketender, Huren und Diebe, Bettler und Marodeure, die Kriegsopfer, die mehr Angst und Schrecken verbreiteten als die eigentlichen Soldaten. 4500 Memminger sind in originalgetreu nachgebildeten Kostümen und Uniformen mit von der Partie. Mit Waffen, 300 Pferden, prunkvollen Kutschen und 50 Wagen.
Rings um die Stadt haben die Soldaten ihr Lager aufgeschlagen. Bettler lungern herum, während ein paar Meter weiter die vornehmen Herrschaften ihre Gelage abhalten, sich „Verlustierungen“ hingeben. Handwerker aus unterschiedlichen Zünften zeigen ihre Künste. Authentizität ist Trumpf beim Spektakel, dem die ganze Stadt entgegenfiebert. Lebendiger Geschichtsunterricht.
Museen in Memmingen
Nach dem Stadtrundgang durch Memmingen am Vormittag ist Zeit für die Mittagspause. Nett sitzt du auf dem Rossmarkt im Café Moritz mit internationaler Speisekarte oder im kleinen Café Kunz, dem Museumscafé im Innenhof des Antonierhauses (Martin-Luther-Platz 1) gleich um die Ecke.
Nachmittags noch einmal Kulturprogramm? Unbedingt einen Blick ins Antonierhaus mit gleich zwei tollen Museen werfen! Beide sind überschaubar von der Größe, bieten aber spannende Ausstellungen.
Das Strigelmuseum erinnert an die bekannteste Künstlerfamilie der Stadt. Drei Generationen von Strigels – Bildhauer, Maler und allesamt typische Vertreter der Spätgotik in Schwaben, waren in Memmingen ansässig.
Der Star war eindeutig Bernhard Strigel. Seine Leidenschaft war die Tafelmalerei, aber Geld brachten vor allem Porträts. Beim Adel war Strigel heiß umworben und sogar Kaiser Maximilian I. ließ sich vom Memminger malen.
Das Antonitermuseum ist ein Juwel unter den Sehenswürdigkeiten in Memmingen. Es widmet sich der Geschichte eines vergessenen Ordens (siehe Kasten). Die Stadt erwarb das einstige Kloster mit wechselvoller Geschichte als Pfarrhaus, Knabenschule, Kaserne, Bierkeller, Zuckerraffinerie und Wohnhaus 1987 und richtete ein Museum ein, das die Geschichte des Antoniterordens erzählt.
Museen im Antonierhaus
Adresse: Martin-Luther-Platz 1, www.memmingen.de/museen-antonierhaus.html
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 11–17 Uhr
Eintritt: frei
Antonitermuseum: Klosterbrüder, Hospitäler und Antoniusschweine
Im Mittelalter waren die Antoniter ein angesehener Hospitalorden mit Kranken- und Pflegehäusern in ganz Europa. Eine erste Laienbrüderschaft hatte sich schon um 1095 in St. Antoine in Südfrankreich gebildet, wo man die Reliquien des heiligen Antonius aufbewahrte. Er war der Schutzpatron der am „Heiligen Feuer“ oder Mutterkornbrand Erkrankten.
Der Mutterkornpilz war eine Getreidekrankheit, die in feuchten Jahren vor allem Roggen befiel. Wurde der Pilz mit dem Getreide zusammen vermahlen und gegessen, traten Vergiftungen auf: Sie führten zu Bewusstseinsveränderungen und starkem Brennen der Glieder, die im Endstadium schließlich verfaulten. Die Krankheit war in einer Zeit, als Brot und Getreidebrei das Hauptnahrungsmittel waren, weit verbreitet.
Hospitäler gab es im Mittelalter nicht wenige – für Arme, durchreisende Pilger, Wöchnerinnen, Waisen, Krüppel. Ihre Träger waren städtische Stiftungen oder geistliche Orden. Doch nur der Antoniterorden widmete sich ausschließlich den am „Heiligen Feuer“ Erkrankten, sodass man die Krankheit ab dem 12. Jh. „Antoniusfeuer“ nannte. Die Vermächtnisse der Kranken sicherten dem Orden sichere Einkünfte neben Almosensammlungen. Die „Quest“ war eine Art früher Pflegeversicherung, die von den „Questoren“ eingetrieben wurde. Dazu kamen die Einkünfte aus dem Verkauf der „Antoniusschweine“, die die Brüder auf Kosten der Allgemeinheit in den Straßen der Städte und Dörfer hielten. Der Ausdruck „Schwein haben“ soll auf diese Praxis des Ordens zurückgehen.
Ab 1267 gab es in Memmingen ein Antoniter-Hospital. Mitte des 15. Jh. wurde das Antoniterhaus erbaut, das seinerzeit zu den fortschrittlichsten Hospitälern weit und breit gehörte. Drei Jahrhunderte lang war die Niederlassung der Antoniter in Memmingen ein fester Bestandteil der Krankenfürsorge in der Stadt.
Mit der Reformation geriet der Orden zunehmend in Bedrängnis. Die Bereitschaft der Gläubigen zur Opfergabe nahm immer mehr ab, der Glaube an Wunderheilungen versiegte, und mit den gewandelten Hygienevorstellungen verschwanden auch die Antoniusschweine. Damit verlor der Orden einen wesentlichen Teil seiner wirtschaftlichen Grundlage. Im 16. Jh. übernahm die protestantisch gewordene Stadt endgültig den Besitz des Ordens, der in Vergessenheit geriet und im Malteserorden aufging. Das ehemalige Kloster in Memmingen ist heute das besterhaltene spätmittelalterliche Beispiel einer Antoniter-Niederlassung in Europa.
Ein Herz für moderne Kunst
Mit der Kunsthalle Memmingen (MEWO, Bahnhofstraße 1) öffnete sich die mittelalterliche Stadt 2005 der Moderne. Im klassizistisch-herrschaftlichen Ambiente der ehemaligen königlichen Post säumen helle Ausstellungsräume einen überdachten Lichthof – beste Bedingungen für Wechselausstellungen, die ein überregionales Publikum anlocken. Vorträge, Konzerte und Lesungen ergänzen das Programm.
Kunsthalle Memmingen
Adresse: Bahnhofstraße 1, www.mewo-kunsthalle.de
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 11–17 Uhr
Eintritt: frei
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8. Juli 2022Ausflug zur Kartause Buxheim
Ein kunsthistorisches Schatzkästchen lohnt nach dem Stadtrundgang durch Memmingen den Abstecher ins kleine Buxheim, wenige Kilometer nordwestlich von Memmingen. Das einstige Kartäuserkloster ist heute Klostermuseum. Doch neben Kunstfreunden pilgern seit ein paar Jahren auch Krimifans zum Kloster. Das berühmte Chorgestühl spielt nämlich eine tragende Rolle in „Erntedank“, einem der Kultkrimis rund um den Allgäuer Kommissar Kluftinger.
Der Kartäuserorden, im 11. Jahrhundert durch Bruno von Köln ins Leben gerufen, erlebte mit der mystischen Bewegung im 15./16. Jahrhundert seine größte Verbreitung. 195 Klöster zählte der Orden zu dieser Zeit in ganz Europa, allein 84 im deutschen Sprachgebiet. Anders als die Antoniter in Memmingen, die sich der Krankenpflege widmeten, lebten die Kartäuser in Abgeschiedenheit, verschrieben sich ganz Gott und dem Gebet. 1402 gründeten Ordensbrüder die Niederlassung in Buxheim, die im 16. Jh. zur einzigen Reichskartause des gesamten Ordens ernannt wurde. Im Zeitalter des Barock bekam sie ein neues Gesicht.
Nach der Säkularisation kam das Kloster in den Besitz eines Grafengeschlechts. Verschuldet bis über beide Ohren begann Graf Hugo aber schon bald mit der Verschleuderung der Kunstschätze. Darunter auch das berühmteste Kunstwerk der Kirche: das barocke Chorgestühl – für viele das schönste in ganz Süddeutschland. 1684 hatte der junge, noch wenig bekannte Schnitzer Ignaz Waibel vom Prior des Klosters den Auftrag erhalten, 31 Chorstühle und einen Zelebrantenstuhl zu fertigen. In nur vier Jahren vollbrachte er ein Wunder in Eichenholz: Apostel und Ordensstifter, Mönche und Heilige zeigen sich mal beschwingt und leidenschaftlich, mal kontemplativ und würdevoll – lauter kleine Meisterstücke.
Für einen Spottpreis ging das Chorgestühl zunächst nach Holland, dann weiter nach London, wo es der Direktor der Bank of England erwarb. Dieser schenkte es den Schwestern eines Hospitals, das in den 1960er-Jahren seinen Sitz in die Grafschaft Kent verlegte. Im Laufe seiner Irrfahrt wurde es zersägt und zerhackt, um es immer wieder anderen Räumlichkeiten anzupassen, und mit schwarzem Bootslack übermalt. Das Gestühl fand erst 1980 zurück nach Buxheim.
Einen Blick in den Alltag der Kartäusermönche bietet eine historische Mönchszelle aus den Anfängen des Klosters. Kartausen waren, anders als beispielsweise Benediktinerklöster, ein Zusammenschluss von Einsiedlern, die ein recht selbstständiges Leben in ihren Zellen führten. Gemeinschaftsräume wie das Refektorium für gemeinsame Mahlzeiten nutzten die Kartäuser nur an Sonn- und Feiertagen. Die kargen Zellen, in denen die Mönche allein beteten und arbeiteten, waren mit Bettstatt, Waschtisch und Gebetsnische ausgestattet, aber auch Werkraum und Garten gehörten dazu.
Kartause Buxheim
Infos: www.kartause-buxheim.de/Besucherinfo
Öffnungszeiten: 1. April–31. Oktober Dienstag bis Sonntag, 10–17 Uhr
Eintritt: 5 Euro
Zeit für eine Erfrischung!
Die wartet am nahen Buxheimer Weiher, den Klosterbrüder im Mittelalter anlegten. Entweder im Schwimmbad oder im Biergarten. Beides herrlich!
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Hallo, ich bin Elke. Schon als kleines Mädchen immer mit dem Finger auf der Landkarte unterwegs. Als Reisejournalistin, Reisebuchautorin und Reiseleiterin heute Berufsreisende. Mit viel Know-how zu Asien und Neuseeland, aber auch leidenschaftlich gern vor der Münchner Haustür – in Oberbayern oder im Allgäu – unterwegs. Am liebsten mit Wanderstiefeln oder mit dem Fahrrad. Auch wenn ich schon einiges von der Welt gesehen habe – die Entdeckerlust ist immer noch endlos. Wo ich mich aktuell herumtreibe, erfahrt ihr auf meinem Insta-Profil.
4 Kommentare
Marike
28. August 2023 at 18:09Liebe Elke, nachdem ich gerade mit einer Freundin aus Memmingen unterwegs war und dort selbst einmal Stadtführungen gemacht habe, habe ich mit Begeisterung Deinen Artikel gelesen und auch festgestellt – was ich alles noch nicht gewußt habe. Vielen Dank für die schöne Beschreibung! Marike
Elke
29. August 2023 at 6:38Liebe Marike,
schön, dass ich dein Memmingen-Wissen noch ein bisschen ergänzen konnte!
Vielen Dank für den Kommentar und liebe Grüße
Elke
Anja
23. September 2023 at 22:42Dank deiner Inspiration werde ich Memmingen definitiv auf meine Reiseliste setzen und freue mich darauf, all diese wunderbaren Orte selbst zu erkunden!
Elke
24. September 2023 at 5:15Liebe Anja,
das freut mich. Memmingen ist definitiv einen Besuch wert!
Liebe Grüße
Elke