Das Eastland mit dem East Cape Neuseelands, dem östlichsten Punkt des Landes, ist eine wildschöne Region, in die sich kaum ein Tourist verirrt. Merkwürdig, schließlich bietet sie jede Menge Geschichte. An der Ostküste der Nordinsel Neuseelands landeten nämlich die ersten Boote der polynesischen Entdecker und Jahrhunderte später setze auch James Cook auf seiner Entdeckungsreise im Südpazifik hier erstmals seinen Fuß auf neuseeländische Erde. Ich verrate dir in meinem Blogpost, ob sich die Reise ins Eastland lohnt und was es dort zu entdecken gibt.
Inhaltsverzeichnis
Gisborne, die östlichste Stadt Neuseelands
In der Poverty Bay, die heute offiziell Tūranganui-a-Kiwa heißt, ankerte Kapitän James Cook mit der Endeavour auf seiner Südseeexpedition im Auftrag der britischen Krone am 9. Oktober 1769. Zwei Tage später ging er an Land und setzte einen Meilenstein in der Geschichte Neuseelands. Weil die erste Begegnung mit den Einheimischen wenig friedlich verlief, segelte Cook jedoch weiter, ohne Proviant aufstocken zu können und verpasste der Gegend ihren unrühmlichen Namen: „Bucht der Armseligkeit“.
Heute liegt hier Gisborne, Neuseelands östlichste Stadt, die ganz und gar keinen ärmlichen Eindruck macht. Obst, Gemüse und Wein gedeihen in der sonnigen Region nämlich prächtig. Und sonnen kann sich Gisborne außerdem im Ruhm, als erste Stadt weltweit die Sonnenstrahlen eines jeden neuen Tages zu begrüßen.
Doch zurück zu Cook: In Bronze gegossen steht er seit gut zwanzig Jahren am Waikanae Beach von Gisborne auf einer Weltkugel. Und der Gerechtigkeit halber hat man nebenan auch den Schiffsjungen Nick, der auf Cooks „Endeavour“ vor seinem Captain Land erspähte, verewigt.
Das erste Cook-Denkmal aus dem frühen 20. Jahrhundert, das auf dem Kaiti Hill stehen soll, suche ich dagegen vergeblich. Die Reiseführer-Autoren waren wohl schon lange nicht mehr vor Ort. Inzwischen soll die Statue des Entdeckers in einem Museumskeller verstauben, erfahre ich. Zu Füßen des Aussichtshügels stattdessen ein modernes Denkmal – Puhi Kai Iti –, das die Geschichte Neuseelands ein bisschen zurechtrückt. Es erinnert – unweit des hübschen Kaiti Beach – an den ersten Landeplatz von James Cook in Neuseeland, aber auch an die Maori-Stämme, die hier bereits Jahrhunderte vor Cook an Land gingen.
Für den Mann und mich ist Gisborne Ausgangspunkt zu unserem Roadtrip durchs Eastland, die östlichste Region Neuseelands, in die es nur wenige Reisende zieht.
Industriedenkmäler und „Whale Rider“ am Pacific Highway
Vorbei an hübschen Holzhäusern schlängelt sich der Pacific Highway aus der Stadt heraus. Ein Weihnachtsbaum aus Treibholz am Makorori Beach bei Gisborne erinnert daran, dass Heiligabend ist. Auf dem Parkplatz stehen keine Juicys und Mauis, die klassischen Mietcamper der Besucher, sondern die Vans der Einheimischen mit Surfbrettern auf den Dächern. Schon frühmorgens tanzen die ersten Surfer auf den Wellen. Auf einfachen Camp Sites entlang der Straße zelten Maori-Großfamilien, die die Weihnachtsferien gemeinsam verbringen, und über dem ein oder anderen Zelt flattert die Maori-Flagge.
Einer meiner liebsten Neuseeland-Filme, Whale Rider, der von einem Maori-Mädchen erzählt, wurde hier an der Küste gedreht – im Dorf Whangara. Der Legende nach eine Gründung des Polynesiers Paikea, der auf dem Rücken eines Wals reitend die neuseeländische Küste erreichte. Die Zufahrt zum Dorf ist gesperrt: Privatstraße. Verständlich, denn die Zahl der neugierigen Besucher nahm irgendwann wohl überhand. Von einem Aussichtspunkt blicken wir über den Strand, an dem im Film ein Wal strandete, und erspähen das Versammlungshaus des Dorfes mit einem hölzernen Walreiter auf dem Dach.
Der Pacific Highway macht seinem Namen zunächst keine Ehre, meist schlängelt er sich in der ersten Etappe durchs Hinterland. Schafe, Kühe, Pferde grasen auf den Weiden, der Rest ist Einsamkeit.
In Tolaga Bay stoßen wir endlich wieder auf den Pazifik. Fast einen Kilometer lang reckt sich hier die längste Seebrücke Neuseelands ins Meer, wo in den 1930er-Jahren weit über 100 Frachter am Tag – beladen mit Holz und Schafwolle – ablegten. Heute ein Industriedenkmal, an dem schon lange kein Schiff mehr ankerte. Wir treffen zwei Angler, die noch schnell ein paar Fische fürs Weihnachtsessen fangen wollen. „Merry Christmas“, wünschen wir uns gegenseitig. Im Ort mit viel Pionierzeit-Charme erinnert das stolze Tolaga Inn an die Blütezeit des Ortes. Verrammelte Fenster und Türen lassen ahnen, dass auch hier schon lange kein Gast mehr abgestiegen ist oder auch nur ein Bier an der Bar ausgeschenkt wurde.
Auch in Tokumaro Bay erinnern die verfallenen Gebäude der Bank of New Zealand und der Bank of New South Wales an lebhaftere Zeiten. Und die Zeugen der Industrialisierung sind seit 1952 bereits „Lost Places“: das ehemalige Büro der New Zealand Shipping Company, Wollschuppen und die Tokomaru Bay Freezing Works, 1909 gegründet und Jahrzehnte lang der wichtigste Arbeitgeber der Region. Kaum vorstellbar, dass hier in den 1930er-Jahren 500 Schafe und 60 Rinder täglich auf der Schlachtbank starben.
Unterwegs zum East Cape
Bis heute ist das Eastland Maori-Land. Hier wuchs auch Apirana Turupa Ngata auf, der Ende des 19. Jahrhunderts als erster Maori einen Uni-Abschluss machte und sich zeitlebens für die Rechte seines Volkes einsetzte. Sein Bild schmückt heute noch den neuseeländischen 50-Dollar-Schein. Er gab auch den Anstoß für den Bau der bildhübschen Saint Mary’s Church in Tikitiki mit ihren eindrucksvollen Schnitzereien und Flechtarbeiten, die an im ersten Weltkrieg gefallene-Maori-Soldaten erinnert.
Te Aroroa ist Versorgungsstation im äußersten Nordwesten. Wo die Tage früher beginnen als anderswo auf der Welt, sind Stress und Hektik Fremdwörter. Ein Supermarkt, ein Café, das war’s. Und eine Attraktion für Fotografen: der wohl älteste Pohutukawa-Baum Neuseelands auf dem Hof der Dorfschule, der hier schon stand, als James Cook Neuseeland erreichte. Für uns ist Te Aroroa Ausgangspunkt für die Fahrt zum East Cape.
18 Kilometer schlängelt sich die Sackgasse zum East Cape aussichtsreich am Wasser entlang. Nur hier und da eine bach, ein einfaches Ferienhaus. Mächtige Pohutakawas biegen sich mit ihren flammend roten Blüten über den Strand, Schmucklilien wuchern in Blau und Weiß wie Unkraut. Kühe weiden direkt hinter dem Strand, Pferde galoppieren über Koppeln. Unterwegs treffen wir einen Miet-Camper mit einer französischen Familie, sonst nur einheimische Maorifamilien mit ihren Pickups, die am Strand nach Meeresfrüchten suchen: Paua-Muscheln, Seegurken, Seeigel. Ein Event für die ganze Familie. „Where are your from, madame?“, fragt mich ein junger Mann, der hier offensichtlich selten Reisende trifft. „Oh Germany, far away!“
Dann stehen wir am East Cape, über das seit hundert Jahren ein Leuchtturm wacht. Seit Tagen träume ich davon, dort oben am östlichsten Punkt Neuseelands zu stehen. Große Enttäuschung: „Danger! Path closed“ steht unmissverständlich am Zugang zum Wanderpfad. Traurig blicken wir nach oben. Aber nur kurz. Schließlich stehen wir an einer wildschönen Ecke Neuseelands, das wir ganz für uns allein haben. Wild East.
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29. Januar 2023Über Hicks Bay nach Opotiki
Vergeblich suchen wir auf der Weiterfahrt den Platz, an dem die Kanus von Kupe & Co. im Mittelalter strandeten – die ersten Polynesier, die Aotearoa – das „Land der großen weißen Wolke“ – erreichten. Lange bevor Captain Cook im Südpazifik unterwegs war. Kein Schild weit und breit und sehr vage Antworten der Einheimischen auf unsere Fragen. Vielleicht sollen wir den Ort einfach nicht finden. Auch gut so.
Abends im Lottin Point Motel in Hicks Bay, der einzigen Unterkunft in der Gegend lassen wir uns Fish‚n‘Chips bei grandiosem Meerblick schmecken. Unser Weihnachtsessen. An den Nebentischen nur ein paar Hobbyangler, die reiche Beute gemacht haben. Was sie in diese gottverlassene Gegend gebracht hat, will ich von Gastgeberin Sue wissen. „Ich bin wie eine Feder im Wind und einfach hier gelandet“, lacht sie. „Und eines Tages schwebe ich möglicherweise weiter.“
Am nächsten Tag fahren wir entlang der Nordküste weiter. Die Blicke auf die Küste sind immer wieder herrlich, aber langsam wird die Besiedlung dichter. Zwei Fotostopps noch unterwegs: die elegante schneeweiße Holzkirche und ein stolzer Marae, das Versammlunggelände der Maori, in Te Kaha.
Am Tirohanga Beach, der schon zur Bay of Plenty gehört, springen wir ins Wasser – mit Blick auf White Island, den aktivsten der Vulkane Neuseelands, von dem nur die Spitze aus dem Pazifik ragt. Jetzt ist die Kleinstadt Opotiki mit Häusern aus der Pionierzeit nicht mehr weit.
Zwei reich beschnitzte Pfeiler, Te Ara Ke Ti Tairawhiti, markieren den Anfang oder das Ende – je nach Betrachtungsweise – des „Wegs zum Sonnenaufgang“. Hier treffen wir auf eine Maori-Großfamilie, die bei lauter Musik in ausgelassener Stimmung für Gruppenfotos posiert. Sie winken uns nach, als wir nach Rotorua abbiegen, wo wir wieder auf die Hauptroute der Neuseeland-Reisenden treffen und die Sehenswürdigkeiten in Rotorua erkunden.
Ausgangspunkt für den Roadtrip zum East Cape Neuseelands
Ausgangspunkt für die Tour durchs Eastland ist Gisborne an der Ostküste der Nordinsel, wenn du von Süden aus kommst (ca. 7,5 Stunden Fahrt ab Wellington). Kommst du aus nördlicher Richtung, kannst du die Route umgekehrt abfahren und brauchst von Tauranga nach Opotiki 1,5 bis 2 Stunden. In jeden Fall benötigst du für den Roadtrip ein (vollgetanktes) Auto. Tankstellen sind wie Supermärkte entlang des Pacific Coast Highways rar.
Unterkünfte und Restaurants rund ums East Cape Neuseelands
Für Camper gibt es eine Handvoll einfache Camp Sites, zahlreiche Hotels und Privatunterkünfte gibt es in Gisborne, einige in Optokiki. Unterwegs ist das Angebot sehr dünn. Die Te Puka Tavern in Tokomaru Bay vermietet Zimmer, die beste Wahl ist das Lottin Point Motel in Hicks Bay.
Hallo, ich bin Elke. Schon als kleines Mädchen immer mit dem Finger auf der Landkarte unterwegs. Als Reisejournalistin, Reisebuchautorin und Reiseleiterin heute Berufsreisende. Mit viel Know-how zu Asien und Neuseeland, aber auch leidenschaftlich gern vor der Münchner Haustür – in Oberbayern oder im Allgäu – unterwegs. Am liebsten mit Wanderstiefeln oder mit dem Fahrrad. Auch wenn ich schon einiges von der Welt gesehen habe – die Entdeckerlust ist immer noch endlos. Wo ich mich aktuell herumtreibe, erfahrt ihr auf meinem Insta-Profil.
8 Kommentare
Hartmut
4. August 2023 at 23:16Ich bin auch ein sehr großer East Cape Fan. 2011 waren wir dort mit unseren Kindern ein paar Tage unterwegs und haben unter anderem gute Freunde in Gisborne besucht.
Schade, dass der Weg zum Leuchtturm gesperrt wat.
Gruss aus dem hohen Norden.
Hartmut
Elke
5. August 2023 at 7:33Hallo Hartmut,
ja, das ist eine tolle, wilde Gegend. Das East Cape gehörte zu den Plätzen in Neuseeland, die mich am meisten berührten.
Dass der Leuchtturm gesperrt war, war sehr schade, aber nicht zu ändern.
Liebe Grüße
Elke
Sonja Golla
21. August 2023 at 14:42Liebe Elke,
mit diesem Artikel hast du mir eine zauberhafte Erinnerung an meine Neuseelandreise vor 20 Jahren geschenkt. Die Ecken, die du besucht hast, habe ich tatsächlich nicht gesehen. Aber Selbst in 6 Wochen konnte ich nur einen groben Eindruck vom Land gewinnen. Aber es ist schon mega cool auf die anderes Seite der Welt zu reisen und Tief in die Magie dieser Kultur einzutauchen. Ich war damals mit dem Bus unterwegs.
Danke herzlich für diesen tollen Beitrag und die wunderschönen Fotos.
Sonja
Elke
21. August 2023 at 22:32Liebe Sonja,
freut mich, dass ich dich nach Neuseeland zurückbeamen konnte. Ist ja wirklich ein wunderbares Land! Und wenn du nochmal ans andere Ende der Welt reist – vergisst das East Cape nicht ;-).
Liebe Grüße
Elke
Jenny
22. August 2023 at 9:07Hach, das East Cape. Nach drei Neuseelandreisen haben wir es immer noch nicht dorthin geschafft, dabei hört man nur Gutes… Und nun plane ich gerade den nächsten Trip und bin super unsicher, ob ich angesichts der krassen Straßenschäden nach den schlimmen Überschwemmungen einen Abstecher dorthin planen sollte. Weißt du, wie es inzwischen rund um Gisborne aussieht?
Liebe Grüße
Jenny
Elke
22. August 2023 at 16:18Liebe Jenny,
wir waren etwa zwei Wochen vor dem Unwetter unterwegs. Innerhalb von einem Jahr haben sie die Schäden sicher repariert, aber Erdrutsche etc. kommen ja häufiger vor. Ich finde gerade nicht die Website, auf der ich den Straßenzustand immer checke. Bestimmt wirst du beim Googeln fündig.
Viel Spaß beim Planen!
Liebe Grüße
Elke
marie schade
22. August 2023 at 10:05Liebe Elke,
wie schön, dass Du das mir bis dahin unbekannte nördliche Ende von Neuseeland in vielen Bildern und Beschreibungen vorstellst. So weit bin ich von Auckland aus nie gekommen und werde es auch nicht mehr tun. Aber ich kann mich zumindest an dem Bericht freuen, vielen lieben Dank dafür.
Liebe Grüße
Marie
Elke
22. August 2023 at 16:09Liebe Marie,
das East Cape ist auch ein ganz schön abgelegenes Stück Neuseeland, das nicht viele Reisende kennenlernen. Aber schön, dass ich dich virtuell zumindest mitnehmen konnte!
Vielen Dank für deinen Kommentar und liebe Grüße
Elke