Was haben Pippi Langstrumpf und Winnetou gemeinsam? Die rothaarige Schwedin, die kein bisschen auf den Mund gefallen ist, und der schweigsame Häuptling der Apachen waren die Helden meiner Kindheit. Und – das fällt mir tatsächlich erst beim Schreiben dieses Blogartikels auf – beide waren Reisende. Ob sie daran schuld sind, dass ich Berufsreisende wurde?
Aber ich schweife ab – es soll ja ums Storytelling gehen. Und mein Seo-Plugin hätte sich gewünscht, dass ich den Begriff gleich am Anfang des Artikels ins Spiel bringe. Ich ignoriere SEO jetzt einfach mal schnöde.
Inhaltsverzeichnis
Mit Storytelling zum Businesserfolg
Storytelling ist seit ein paar Jahren angesagt – eine große Sache für die Werbetexter der Welt. Für Reiseveranstalter, aber auch für IT-Firmen, Gartencenter und Schraubenhersteller saugen sie sich Geschichten aus den Fingern. Aber was steckt eigentlich dahinter?
Storytelling ist im Kern nichts anderes als „Geschichten erzählen“. Das haben wir schon immer getan: in Filmen, in Büchern, am Lagerfeuer in der Wüste. Aber nicht auf Websites von Unternehmen. Dass Geschichten anders als Daten und Fakten im Gedächtnis bleiben und berühren, eine emotionale Beziehung zum Kunden schaffen, hat man erstaunlich spät verstanden. Inzwischen hat wahrscheinlich sogar das Finanzamt eine Beauftragte für Storytelling. Für mich ist Storytelling der rote Faden meines Lebens.
Die Geschichten meiner Kindheit
Wenn wir zurückspulen in die Kindheit, fallen sicher uns allen bestimmte Momente ein, die uns geprägt haben. Ich denke sofort an meinen Großvater August, der mir vorm Schlafengehen unermüdlich Märchen erzählte. Als begeisterter Laienschauspieler mit viel Pathos. Ich gruselte mich mit Hänsel und Gretel im Wald, ließ mich mit Dornröschen vom Prinzen küssen und war Zwergenfreundin hinter den sieben Bergen.
Mein Großvater blieb mein Held bis zuletzt – als er mit 95 noch religiöse Traktate mit dem Bleistift in ein Schulheft schrieb. Und ich bin sicher, Großvater August ist schuld daran, dass nichts „Anständiges“ aus mir geworden ist – Forscherin, Ärztin, Installateurin oder Altenpflegerin. Lauter tolle Berufe, die systemrelevant und wichtig sind. Ich wurde Geschichtenerzählerin. So jemand, den man nicht braucht. Schon gar nicht in Corona-Zeiten. Der aber manchmal ein bisschen die Sinne kitzelt. Und das braucht man auch ab und zu, oder?
Zeit für Helden
Kaum konnte ich lesen, ging ich selbst auf die Suche nach Geschichten in meinen Büchern. Pucky, die Försterstochter, war nett und bieder. Hanni und Nanni waren lustig, aber Heldinnen? Dann kam Pippi. Stark und mutig sein, sich nichts gefallen lassen – ein solches Mädchen durfte es in den 1960er-Jahren eigentlich nicht geben. Diese grandiose Neunjährige packte – für mich der Höhepunkt der Geschichte – einfach die Koffer, um mit ihrem Kapitänsvater im Taka-Tuka-Land Abenteuer zu erleben. Während ich in einer langweiligen Kleinstadt die Schulbank drückte.
Nach Pippi entdeckte ich Winnetou, den Häuptling der Apachen, der auf einem Rappen durch die Prärie ritt und Schurken zur Strecke brachte – unnahbar und so mutig wie edelmütig. Wie gern hätte ich ihm meine Liebe gestanden! Und wie schade, dass die pickeligen, schmalbrüstigen Jungs in meiner Klasse so gar keine Ähnlichkeit mit meinem rothäutigen Helden hatten.
Die Schule war immer dann spannend, wenn es ein Lehrer es verstand, seinen Stoff in Geschichten zu verpacken. Die Geschichtslehrerin, die Alexander den Großen in Geschichten zum Leben erweckte, so dass wir alle in Gedanken mit ihm in die Perserkriege ritten. Der Erdkundelehrer, der von verschimmelten Schuhen in den Tropen Australiens erzählte. An ihn habe ich auf mancher Reise in den tropischen Osten denken müssen.
Geschichten erleben
Irgendwann wollte ich eigene Geschichten erleben. Mit 17 packte ich zum ersten Mal den Rucksack, um mit einem Interrailticket mutterseelenallein durch halb Europa zu reisen. Große weite Welt statt ostwestfälischer Kleinstadtalltag. Mit unzähligen Geschichten im Kopf kehrte ich zurück.
Mit 19 traf mich der Kulturschock mit voller Wucht, als ich in Indien mutterseelenallein in eine sehr fremde Welt eintauchte. Ohne Internet, Handy und Lonely Planet musste ich mich mit Haut und Haaren einlassen. Ganesha, der elefantenköpfige Gott der Weisheit, war mein Schutzengel. Nach drei Monaten und unzähligen Geschichten – erlebten und erzählten – hätte ich um ein Haar mein Rückreiseticket verschenkt.
Enttäuschend grau war die Theorie im Germanistikstudium. Nach dem Examen und einem Abstecher in die Welt des Theaters packte ich wieder den Rucksack und jobbte mich durch Neuseeland und Australien – lange bevor es als Work & Travel zum Initiationsritus für Abiturienten wurde. Zurück in Deutschland wusste ich nur eins: Für einen Bürojob tauge ich nicht.
Beruf: Geschichtenerzählerin
Glücklicherweise entdeckte ich eine Zeitungsannonce: „Reiselustige Akademiker gesucht“. So wurde ich Studienreiseleiterin und durfte (neben Organisation, Kommunikation, Krisenmanagement und noch ein paar anderen Aufgaben) meinen Reisegästen Geschichten erzählen. Von Hindugöttern und Entdeckern, Königen und Kriegern, von Liebenden, Scheiternden und Weltbewegenden. Und hoffentlich haben diese Geschichten ihnen geholfen, Vergangenheit und Gegenwart der bereisten Ländern ein bisschen besser zu verstehen.
Als meine beiden wunderbaren Töchter mich sesshaft machten, fing ich an, Geschichten zu schreiben. Als Reisejournalistin, Reisebuchautorin und als professionelle Fernwehweckerin für Reiseveranstalter, Hotels, Reisedestinationen.
Storytelling häppchenweise
Die Pandemie machte mich zur Reisebloggerin – schon jetzt mein Lieblingsmedium zum Geschichtenerzählen. Ein Nebenprodukt meiner Reise in die „Blogosphäre“: Weil ein Blog auch vermarktet werden will, habe ich mich ins Social-Media-Abenteuer gestürzt und eine neue Plattform fürs Storytelling entdeckt: Auf Social-Media-Kanälen erzähle ich meine Geschichten nun auch häppchenweise. Coole Sache.
6 Kommentare
Svenni
25. April 2021 at 14:11Ich bin gespannt auf deine nächsten Reise-Tipps aus dem Allgäu. Kleine Fluchten finde ich super. Ich denke, wir haben alle so Sehnsucht danach, aus dem Alltag (Hamsterrad) heraus zu kommen. Kleine Fluchten sind prima!!
Elke
25. April 2021 at 15:09Liebe Svenni,
vielen Dank für deinen Kommentar! Nachschub kommt auf jeden Fall – versprochen!
Liebe Grüße
Elke
Jeannine
25. April 2021 at 17:29Wow, danke für diesen schönen Artikel. Habe mich in die Kindheit versetzt gefühlt beim Lesen. Danke!
Herzliche Grüessli
Deine Blogger-Kollegin
Jeannine
Elke
25. April 2021 at 17:45Vielen Dank für den netten Kommentar, liebe Jeannine!
Liebe Grüße
Elke
Angel
26. April 2021 at 0:09Toller Einstieg, mehr davon. Gruß von der Waterkant.
Elke
26. April 2021 at 7:08Liebe Angel, vielen Dank fürs Lob 🙂 und liebe Grüße aus dem Alpenvorland, Elke